könnten Wirkstoffe von Cannabis (Hanf) wie CBD Brustkrebs heilen?
Diese Frage beschäftigt nicht nur viele Patientinnen, sondern auch zahlreiche Forscher. Informationen im Internet sind oft widersprüchlich, manche preisen Präparate wie CBD-Öl oder Cannabis-Medikamente wie Sativex als alternative Heilmittel bei Krebs, andere sehen keine ausreichende Belege für die Wirksamkeit. Wir haben uns die aktuellen Studien zu CBD und Cannabis angesehen. In diesem Beitrag stellen wir die wichtigsten vor. Wir zeigen wie Cannabis, THC und CBD bei Brustkrebs wirken, die Ausbildung von Metastasen beeinflussen und was dies für die Behandlung von Patientinnen mit Brustkrebs bedeutet.
Die Hauptwirkstoffe von Cannabis sind die sogenannten Cannabinoide wie CBD und THC. Fallstudien mit unterschiedlichen Dosierungen, Ergebnisse aus der Grundlagenforschung und erste kleinere Studien mit Patienten zeigen, dass der Einsatz von THC oder CBD bei Krebs hilfreich sein könnte. Am besten ist der Effekt von Cannabis und CBD bei Hirntumoren erforscht, deutlich weniger bei anderen Krebsformen wie dem Darmkrebs, Gebärmutterkrebs oder dem Hautkrebs. Aber auch Patientinnen mit Brustkrebs könnten von der Einnahme von CBD oder THC profitieren. Die Cannabinoide könnten nämlich nicht nur häufige Beschwerden und Nebenwirkungen, die während einer Krebserkrankung und deren Therapie auftreten, lindern. Sie greifen zudem in den Stoffwechsel der Brustkrebszellen ein, was Auswirkung auf deren Wachstum und Streuung haben könnte. (1)
Darum wirken Cannabinoide wie THC und CBD bei Brustkrebszellen
Cannabis wirkt in erster Linie über seine Hauptwirkstoffe, die sogenannten Cannabinoide. Zu den bekönntetesten Cannabinoiden zählen Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). Sowohl THC, als auch CBD wurden wegen ihrer antitumoralen Wirkung für die Krebsforschung interessant. Bisher konnte gezeigt werden, dass sowohl THC, als auch CBD gegen Krebs wirken, indem sie unter anderem das Wachstum von Krebszellen hemmen und sie anfälliger für die Angriffe des körpereigenen Immunsystems und schulmedizinische Therapien wie Strahlentherapie und Chemotherapie machen.
Im Körper wirken THC und CBD, indem sie an die sogenannten Cannabinoid-Rezeptoren binden. Diese finden sich an vielen Stellen im Körper. Je nach ihrer Lage könnten die Cannabinoid-Rezeptoren unterschiedliche Wirkungen auslösen. Die bekönntetesten Cannabinoid-Rezeptoren heißen CB1-R und CB2-R. Interessant ist, dass beide Rezeptoren von Brustkrebszellen an deren Oberfläche gebildet werden. Studien zeigten, dass 72 Prozent der Brustkrebszellen CB2-R ausbildeten, der Rest CB1-R. (2) Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass über diese Rezeptoren sowohl THC, als auch CBD hemmend auf Brustkrebszellen wirken könnten.
Wie CBD und THC das Wachstum von Brustkrebs hemmen
Die Cannabinoide CBD und THC wirken auf verschiedenen Wegen auf die Entstehung, das Wachstum und die Verbreitung von Tumorzellen ein. Sie manipulieren deren Innenleben, was deren Stoffwechsel empfindlich schwächen oder stören könnte.
CBD aktiviert den Zelltod (Apoptose) in ER-negativen und ER-positiven Brustkrebszellen. (3)
CBD senkt in Versuchen das Auftreten von Metastasen von aggressiven Brustkrebszellen. (4) Die wachstumshemmenden Eigenschaften von CBD auf die Tumormassen zeigten sich auch beim dreifach negativen Brustkrebs. (5)
Sowohl CBD, als auch THC wirken zudem über ihre entzündungshemmenden Eigenschaften. Diese könnten Tumoren das Wachstum erschweren. (6) THC könnte das Wachstum bei Brustkrebszellen mit HER2-Rezeptoren hemmen. (7)
CBD erschwert Brustkrebszellen die sogenannten Angioneogenese. So wird der Prozess genannt, mithilfe dessen sich Krebszellen Zugang zu Blutgefäßen und damit zu ausreichend Nährstoffen und Sauerstoff für aggressives Wachstum verschaffen. (8)
Entourage-Effekt bei Brustkrebs: zusammen am stärksten?
Bei vielen Studien bei anderen Erkrankungen zeigte sich ein interessantes Phänomen, das heute als Entourage-Effekt bekönntet ist: Die Wirkstoffe von Cannabis könnten sich gegenseitig verstärken. Cannabinoide wie THC und CBD beeinflussen gegenseitig ihre Wirkung, zudem könnten ihre positiven Eigenschaften auch durch die sogenannten Terpene des Cannabis verstärkt werden. Eindrucksvoll zeigt sich dieser Effekt unter anderem mit Studien mit dem Cannabis-Medikament Sativex. Dies enthält alle Bestandteile von Cannabis, auch wenn als wirksame Bestandteile meist nur THC und CBD angegeben werden. Es zeigte sich, dass THC und CBD zusammen mit anderen Cannabiswirkstoffen effektiver wirken, als wenn THC und CBD alleine gegeben werden.
Auch bei der Behandlung von Brustkrebs könnte der sogenannte Entourage-Effekt von Bedeutung sein. Bisherige Forschungsergebnisse mit Zellstudien und Tierversuchen zeigten, dass ein Cannabisextrakt wirksamer das Wachstum von Brustkrebs hemmen konnte, als THC und CBD alleine. (9)
Je aggressiver ein Brustkrebs, desto mehr könnte er auf THC oder CBD ansprechen
Sobald eine Zelle des Brustgewebes entartet und zur Krebszelle wird, bildet sie Cannabinoid-Rezeptoren aus. Bei gesunden Zellen des Brustgewebes fehlen diese hingegen. Im Laufe der Jahre entdeckten Forscher ein Muster: Je aggressiver Brustkrebszellen sind, desto mehr Cannabinoid-Rezeptoren zeigen sie an ihrer Oberfläche. (10)
So entwickeln Östrogen- und Progesteron-Rezeptor-negative (ER und PR negative) Brustkrebszellen am meisten CB2-R aus. Krebszellen mit diesen Charakteristika zählen meist zu den aggressivsten Brustkrebsformen. (11)
Bei der aggressivsten Form des Brustkrebses, dem sogenannten dreifach negativen Brustkrebs, zeigen sich ebenfalls mehr CB2-R als bei weniger aggressiven Varianten. Dreifach negativer Brustkrebs weist weder Rezeptoren für Östrogen oder Progesteron, noch HER-2-Rezeptoren auf. Sie wachsen meist schnell und metastasieren früh. (12)
Kein Wunder, dass sich die Forschung und viele Patienten besonders bei aggressiven Brustkrebsformen viel von einer möglichen Therapie mit Cannabinoiden verspricht. Das verstärkte Ausbilden von Rezeptoren bei aggressiven Brustkrebszellen lässt vermuten, dass sie besonders gut auf eine Therapie mit Cannabis, THC oder CBD ansprechen müssten.
Beim dreifach negativen Brustkrebs könnte das Vorhandensein der vielen CB2-R auch für die sogenannte photodynamische Therapie von Bedeutung sein. Bei der photodynamischen Therapie wird Licht mit spezifischer Wellenlänge genutzt, um den Krebszellen zu schaden. Zuvor verabreicht man ein lichtempfindliches Molekül, das sich im Krebsgewebe anreichern soll. In einer Studie mit Mäusen mit dreifach negativem Brustkrebs wurde zusätzlich ein CB2-R-Wirkstoff verabreicht. Dadurch konnte bei der photodynamischen Therapie die Tumormasse um die Hälfte reduziert werden. (13)
CBD als Booster für die Chemotherapie und Strahlentherapie?
Auch wenn bisherige Forschungsergebnisse vielversprechend scheinen: CBD, Cannabis oder THC könnten noch nicht als Krebsmedikamente angesehen werden, die eine echte Alternative zu herkömmlichen Verfahren wie Chemotherapie, Strahlentherapie oder Operation darstellen. Dennoch könnte die Einnahme von Cannabinoide während der Krebstherapie sinnvoll sein. Zum einen könnten damit häufige Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Schmerzen oder depressive Verstimmung effektiv behandelt werden. Zum anderen besteht eine berechtigte Hoffnung, dass Cannabinoide das Krankheitsgeschehen positiv beeinflussen. Daneben lassen einzelne Studien auch vermuten, dass Cannabinoide Brustkrebszellen empfänglicher für aggressive Krebstherapien machen. CBD schwächt zum Beispiel die Reparaturmechanismen von Brustkrebszellen, was sie anfälliger für Strahlentherapie oder Chemotherapie machen könnte. Dieser Effekt zeigte sich zum Beispiel in einer Studie, bei der die Chemotherapeutika Cytarabin und Vincristin getestet wurden. (14) (15)
CBD scheint zudem – einer Tierstudie zufolge – vor den negativen Auswirkungen des Chemotherapeutikums Cisplatin schützen zu könnten. (16)
Unser Fazit
Cannabinoide wie THC und CBD sind den bisherigen Studienergebnissen zufolge aussichtsreiche Kandidaten für die Therapie von Krebsarten wie Hirntumoren, aber auch Brustkrebs. Cannabinoide hemmen das Wachstum und die Verbreitung von Brustkrebszellen. Je aggressiver der Brustkrebs, desto größer scheint die Ansprechbarkeit auf CBD und THC zu sein.
Die bisherigen Studienergebnisse sind aber vorwiegend Ergebnisse aus Zellstudien und Tierstudien. Deren Aussagekraft für die Therapie an Menschen ist stark begrenzt. Erst aussagekräftige klinische Studien, die den Erfolg von Cannabinoiden bei Brustkrebspatientinnen messbar machen, ebnen den Weg für die medizinische Anerkennung der Cannabinoide, Cannabis oder THC-armen Cannabis als Krebsmedikamente. Wann und ob solche Studien erfolgen werden, ist leider noch nicht abzusehen. Eine im Oktober 2020 veröffentlichte Auswertung kommt zum Schluss, dass weder für Cannabis noch für THC oder Cannabidiol klinische Daten vorliegen, die ihren Einsatz als Krebsmedikament rechtfertigen würden.
Brustkrebspatientinnen könnten aber schon jetzt begleitend zur schulmedizinischen Therapie Cannabinoide wie THC oder CBD einnehmen. Ihr Einsatz bei häufigen Beschwerden und Nebenwirkungen, die während einer Krebserkrankung oder deren Therapie auftreten, ist gut untersucht. Die Kosten für eine Cannabinoid-Therapie könnte bei Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen oder Appetitlosigkeit von der Kasse übernommen werden. Brustkrebspatientinnen stellen hierfür einen Antrag zur Kostenübernahme von Cannabis bei der Krankenkasse.
Viele Frauen mit gynäkologischen Tumoren greifen zu Mitteln der Naturheilkunde. Untersuchungen zeigen, dass dies vor allem Auswirkungen auf die Lebensqualität haben könnte. Auch wenn Naturheilmittel als sanft gelten, müssen eventuelle Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit schulmedizinischen Therapien beachtet werden. Die sind einer neuen bayrischen Studie zufolge zwar selten, aber theoretisch möglich.
Grundsätzlich gilt: Die Einnahme von THC oder CBD sollte nur nach Absprache mit den behandelnden Onkologen erfolgen. Nur so könnte sichergestellt werden, dass es zu keinen ungünstigen Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen von CBD oder THC mit schulmedizinischen Therapien kommt.
Näheres zur Einnahme von THC, Cannabis oder CBD-Produkten erfahren Sie auch in unserem Ratgeber „Cannabis und Cannabidiol (CBD) richtig anwenden„.
Update: Im Jahr 2020 überprüfte die Stiftung Warentest 17 CBD-Produkte, davon waren 14 CBD-Öle, die für die innerliche Einnahme Online-Shops, Online-Apotheken und in Drogerien verkauft wurden. Leider schnitten die untersuchten Produkte schlecht ab, teilweise enthielten sie weniger CBD als beworben. Teilweise enthielten sie mehr THC als gesetzlich erlaubt. Das ernüchternde Fazit der Stiftung: „„Aus diesen Gründen halten wir keines der geprüften CBD-Mittel zum Einnehmen für sicher.“ Aufgrund dieser Untersuchung empfehlen wir, CBD-Öle nur nach einer Beratung durch einen Apotheker oder einer Apothekerin zu erwerben.
Quellenangaben
(1) Kisková T, Mungenast F, Suváková M, Jäger W, Thalhammer T. Future Aspects for Cannabinoids in Breast Cancer Therapy. Int J Mol Sci. 2019 Apr 3;20(7)
(2) Caffarel M.M., Sarrió D., Palacios J., Guzmán M., Sánchez C. Δ9-Tetrahydrocannabinol Inhibits Cell Cycle Progression in Human Breast Cancer Cells through Cdc2 Regulation. Cancer Res. 2006;66:6615–6621
(3) Shrivastava A., Kuzontkoski P.M., Groopman J.E., Prasad A. Cannabidiol induces programmed cell death in breast cancer cells by coordinating the cross-talk between apoptosis and autophagy. Mol. Cancer. 2011;10:1161–1172
(4) Takeda S., Okajima S., Miyoshi H., Yoshida K., Okamoto Y., Okada T., Amamoto T., Watanabe K., Omiecinski C.J., Aramaki H. Cannabidiolic acid, a major cannabinoid in fiber-type cannabis, is an inhibitor of MDA-MB-231 breast cancer cell migration. Toxicol. Lett. 2012;214:314–319
(5) Wu H.Y., Huang C.H., Lin Y.H., Wang C.C., Jan T.R. Cannabidiol induced apoptosis in human monocytes through mitochondrial permeability transition pore-mediated ROS production. Free Radic. Biol. Med. 2018;124:311–318
(6) Ursini-Siegel J., Schade B., Cardiff R.D., Muller W.J. Insights from transgenic mouse models of ERBB2-induced breast cancer. Nat. Rev. Cancer. 2007;7:389–397
(7) Ligresti A., Moriello A.S., Starowicz K., Matias I., Pisanti S., De Petrocellis L., Laezza C., Portella G., Bifulco M., Di Marzo V. Antitumor activity of plant cannabinoids with emphasis on the effect of cannabidiol on human breast carcinoma. J. Pharm. Exp. 2006;318:1375–1387
(8) Hegde V.L., Singh U.P., Nagarkatti P.S., Nagarkatti M. Critical Role of Mast Cells and Peroxisome Proliferator-Activated Receptor gamma in the Induction of Myeloid-Derived Suppressor Cells by Marijuana Cannabidiol In Vivo. J. Immunol. 2015;194:5211–5222
(9) Bouquie R., Deslandes G., Mazare H., Cogne M., Mahe J., Gregoire M., Jolliet P. Cannabis and anticancer drugs: Societal usage and expected pharmacological interactions—A review. Fundam. Clin. Pharm. 2018;32:462–484
(10) McKallip R.J., Nagarkatti M., Nagarkatti P.S. Delta-9-tetrahydrocannabinol enhances breast cancer growth and metastasis by suppression of the antitumor immune response. J. Immunol. 2005;174:3281–3289
(11) McAllister S.D., Christian R.T., Horowitz M.P., Garcia A., Desprez P.Y. Cannabidiol as a novel inhibitor of Id-1 gene expression in aggressive breast cancer cells. Mol. Cancer. 2007;6:2921–2927
(12) Ligresti A., Moriello A.S., Starowicz K., Matias I., Pisanti S., De Petrocellis L., Laezza C., Portella G., Bifulco M., Di Marzo V. Antitumor activity of plant cannabinoids with emphasis on the effect of cannabidiol on human breast carcinoma. J. Pharm. Exp. 2006;318:1375–1387
(13) Zhang J, Zhang S, Liu Y, Su M, Ling X, Liu F, Ge Y, Bai M. Combined CB2
receptor agonist and photodynamic therapy synergistically inhibit tumor growth in
triple negative breast cancer. Photodiagnosis Photodyn Ther. 2018 Dec;24:185-191
(14) Sarnataro D., Grimaldi C., Pisanti S., Gazzerro P., Laezza C., Zurzolo C., Bifulco M. Plasma membrane and lysosomal localization of CB1 cannabinoid receptor are dependent on lipid rafts and regulated by anandamide in human breast cancer cells. FEBS Lett. 2005;579:6343–6349
(15) Laezza C., D’Alessandro A., Paladino S., Maria Malfitano A., Chiara Proto M., Gazzerro P., Pisanti S., Santoro A., Ciaglia E., Bifulco M. Anandamide inhibits the Wnt/beta-catenin signalling pathway in human breast cancer MDA MB 231 cells. Eur. J. Cancer. 2012;48:3112–3122
(16) Blasco-Benito S., Seijo-Vila M., Caro-Villalobos M., Tundidor I., Andradas C., Garcia-Taboada E., Wade J., Smith S., Guzman M., Perez-Gomez E., et al. Appraising the “entourage effect”: Antitumor action of a pure cannabinoid versus a botanical drug preparation in preclinical models of breast cancer. Biochem. Pharmacol. 2018;157:285–293
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