Auch Patienten mit Darmkrebs greifen zu Cannabis und CBD
Cannabis und Cannabinoide wie Cannabidiol (CBD) werden mittlerweile für bei vielen verschiedenen Erkrankungen und Beschwerden eingesetzt – auch von Patienten mit Darmkrebs. Um Genaueres über den möglichen Nutzen zu erfahren, lohnt der Blick in die USA.
Immer mehr Staaten der USA legalisieren Cannabis für medizinische Zwecke und für den Freizeitgebrauch. Daher verwenden immer mehr Menschen Cannabis und Cannabinoide wie CBD zur Behandlung von Krankheiten und damit verbundenen Symptomen. Der mögliche Nutzen von Cannabis bei krebsbedingten Symptomen könnte durch die Untersuchung des Cannabiskonsums bei Patienten mit häufigen Krebsdiagnosen geklärt werden. Mittlerweile liegen einzelne Untersuchungen vor, die den Nutzen von Cannabis und CBD bei Brustkrebs, Hautkrebs, Gebärmutterkrebs oder Hirntumoren prüfen. Teilweise sind die Ergebnisse vielversprechend, ihre Aussagekraft ist jedoch limitiert – erst größere klinische Studien werden zeigen könnten, inwiefern Cannabis bei Krebs helfen könnte.
Eine neue Studie der University of Colorado School of Medicine untersuchte den Cannabiskonsum bei Überlebenden von Darmkrebs und dessen mögliche Auswirkungen auf die Lebensqualität und die krebsbedingten Beschwerden. Unter den bei der Studie teilnehmenden Menschen mit Darmkrebs war Cannabiskonsum relativ häufig, beinahe jeder fünfte konsumierte medizinischen Hanf oder einzelne Cannabinoide.
Steigert Cannabis die Lebensqualität von Patienten mit Darmkrebs?
Darmkrebs ist eine häufige Krebserkrankung. Im Jahr 2016 lebten in den USA schätzungsweise 1,4 Millionen Menschen mit der Diagnose Darmkrebs. (1) Typischerweise geht die Erkrankung mit einer verringerten Lebensqualität einher, wofür unterschiedliche Beschwerden verantwortlich sind. Betroffene berichten über physische und emotionale Symptome, die im Zusammenhang mit der Krebsbehandlung stehen. Dazu zählen Übelkeit, Erbrechen, Schmerzen, Depressionen, Angstzuständen, Erschöpfung und Müdigkeit. (2) Um diese Beschwerden zu lindern, greifen immer mehr Patienten zu medizinischem Cannabis.
Es gibt bereits Hinweise darauf, dass Cannabis zur Behandlung von Übelkeit und Erbrechen, das im Zusammenhang mit einer Chemotherapie auftritt, eingesetzt wird, auch wenn seine Wirksamkeit im Vergleich zu herkömmlichen Medikamenten unklar ist. (3) Ebenfalls untersucht wurde die Rolle von Cannabis bei der Behandlung von Tumorschmerzen, der krebsbedingter Auszehrung und der Verbesserung der Lebensqualität von Menschen, die an einer Krebserkrankung leiden. (4)(5)
Die bereits eingangs erwähnte Studie der University of Colorado School of Medicine konnte jedoch keinen signifikanten Anstieg der Lebensqualität bei Darmkrebspatienten feststellen, die Cannabis konsumierten. Für diese Auswertung wurden die Datensätze von 1784 Menschen berücksichtigt, deren Darmkrebs-Erkrankung als erfolgreich therapiert galt. 293 der Menschen hatten nach der Krebsdiagnose Cannabis konsumiert, unter anderem durch einen Inhalation von Cannabisblüten mit einem Vaporizer. Die Auswertung kam zum Ergebnis, dass Cannabis-Konsumenten keine bessere Lebensqualität als Patienten hatten, die kein Cannabis konsumierten. Die Autoren der Studien vermuten jedoch, dass die Cannabis-Konsumenten eher einen anderen Lebensstil hatten, der nicht unbedingt förderlich für die Lebensqualität sein muss. Dazu zählt unter anderem der Konsum von Nikotin und Alkohol. Sie weisen ebenfalls darauf hin, dass eher jene zu Cannabis griffen, die bereits über eine vergleichsweise schlechtere Lebensqualität verfügten. (6)
Verglichen mit anderen bisherigen Studien scheint es jedoch plausibel, dass sich auch die Lebensqualität von Patienten mit Darmkrebs durch die Einnahme von Cannabis oder Cannabinoide wie CBD steigern ließe. Insbesondere, wenn diese unter Tumorschmerzen, Ängsten, Depressionen, Appetitlosigkeit, Auszehrung, Übelkeit oder Erbrechen leiden. (7)
könnte Cannabis oder CBD die Prognose von Darmkrebs beeinflussen?
Neben dem Einsatz von Hanfwirkstoffen zur Besserung der Lebensqualität wird auch diskutiert, inwiefern die krebswidrigen Eigenschaften von Cannabis und seinen Cannabinoiden THC und CBD bei Darmkrebs hilfreich sein könnten. Bisher ist bekönntet, dass Cannabinoide über verschiedene Rezeptoren von Krebszellen deren Wachstum und Verbreitung hemmen könnten. Dies konnte in präklinischen Studien für verschiedene Krebsarten demonstriert werden. Auch Darmkrebszellen scheinen anfällig für die krebshemmende Wirkung von Hanfwirkstoffen zu sein, wie eine Studie mit das auch als Nutzhanf bekönntetem CBD-reichem Cannabis zeigte. (8)
Hierbei sind wahrscheinlich neben THC und CBD noch weitere Wirkstoffe von Cannabis von Bedeutung. Eine 2018 publizierte Studie konnte zeigen, dass die krebswidrigen Eigenschaften der einzelnen Hanfwirkstoffe sich gegenseitig verstärken. Gemeinsam beeinflussen sie das genetische Innenleben von Darmkrebszellen, ihr Wachstum und ihren Zelltod. (9) CBD könnte auch die Wirksamkeit von Chemotherapien steigern, wie eine Studie mit Oxaliplatin demonstrierte. (10) Gesunde Zellen scheinen hingegen nicht anfälliger für Chemotherapeutika zu sein, eher im Gegenteil. Wie eine Studie vermuten lässt, könnte CBD gesunde Zellen vor den möglichen schädigenden Einflüssen von einzelnen Chemotherapeutika schützen. (11)
Eine 2020 veröffentlichte Studie lässt vermuten, dass CBD auch die Wirksamkeit der photodynamischen Therapie bei Darmkrebspatienten steigern könnte. (12)
Auch das Cannabinoid Cannabigerol zeigt Effekte, es beeinflusst unter anderem die Entstehung von Darmkrebs. (13) Dies gilt auch für CBD. (14)
Unser Fazit: Was bisherige Studien zu Darmkrebs zeigen
Cannabinoide wie THC, CBD oder Cannabigerol könnten in Versuchen die Entstehung, das Wachstum und die Verbreitung von Darmkrebszellen hemmen und die Effektivität einzelner schulmedizinischer Krebstherapien steigern. Die bisherigen Erkenntnisse über die krebswidrigen Eigenschaften von Cannabiswirkstoffen bei Darmkrebs scheinen vielversprechend. Aufgrund fehlender klinischer Studien ist ihre Aussagekraft jedoch limitiert. Es könnte nicht gesagt werden, inwiefern sich die in präklinischen Studien beobachteten krebswidrigen Wirkungen von Cannabis und CBD auf die Behandlung von Menschen übertragen lassen und auf die Prognose von Darmkrebs auswirken. Es gibt auch keinen belastbaren Hinweis darauf, dass Cannabis oder CBD die schulmedizinische Krebstherapie ersetzen könnte.
Bisherige Untersuchungen mit Menschen mit anderen Krebsdiagnosen zeigen, dass der Einsatz von Cannabis oder CBD in der Regel gut vertragen wird. (15) Eine im Oktober 2020 veröffentlichte Auswertung kommt zum Schluss, dass weder für Cannabis noch für THC oder Cannabidiol klinische Daten vorliegen, die ihren Einsatz als Krebsmedikament rechtfertigen würden.
Dennoch sind mögliche Nebenwirkungen, Gegenanzeigen oder Wechselwirkungen von CBD oder Cannabis zu beachten. Der Einsatz von CBD oder Cannabis sollte daher stets mit den behandelnden Ärzten abgesprochen sein.
Update: Im Jahr 2020 überprüfte die Stiftung Warentest 17 CBD-Produkte, davon waren 14 CBD-Öle, die für die innerliche Einnahme Online-Shops, Online-Apotheken und in Drogerien verkauft wurden. Leider schnitten die untersuchten Produkte schlecht ab, teilweise enthielten sie weniger CBD als beworben. Teilweise enthielten sie mehr THC als gesetzlich erlaubt. Das ernüchternde Fazit der Stiftung: „„Aus diesen Gründen halten wir keines der geprüften CBD-Mittel zum Einnehmen für sicher.“ Aufgrund dieser Untersuchung empfehlen wir, CBD-Öle nur nach einer Beratung durch einen Apotheker oder einer Apothekerin zu erwerben.
Quellenangaben
(1) Cancer treatment and survivorship statistics, 2016. Miller KD, Siegel RL, Lin CC, Mariotto AB, Kramer JL, Rowland JH, Stein KD, Alteri R, Jemal A CA Cancer J Clin. 2016 Jul; 66(4):271-89
(2) Cancer patients‘ expectations of experiencing treatment-related side effects: a University of Rochester Cancer Center–Community Clinical Oncology Program study of 938 patients from community practices. Hofman M, Morrow GR, Roscoe JA, Hickok JT, Mustian KM, Moore DF, Wade JL, Fitch TR Cancer. 2004 Aug 15; 101(4):851-7
(3) Cannabinoids for nausea and vomiting in adults with cancer receiving chemotherapy.
Smith LA, Azariah F, Lavender VT, Stoner NS, Bettiol S Cochrane Database Syst Rev. 2015 Nov 12; (11):CD009464
(4) Comparison of orally administered cannabis extract and delta-9-tetrahydrocannabinol in treating patients with cancer-related anorexia-cachexia syndrome: a multicenter, phase III, randomized, double-blind, placebo-controlled clinical trial from the Cannabis-In-Cachexia-Study-Group. Cannabis-In-Cachexia-Study-Group., Strasser F, Luftner D, Possinger K, Ernst G, Ruhstaller T, Meissner W, Ko YD, Schnelle M, Reif M, Cerny T J Clin Oncol. 2006 Jul 20; 24(21):3394-400
(5) Association of Marijuana Use With Psychosocial and Quality of Life Outcomes Among Patients With Head and Neck Cancer. Zhang H, Xie M, Archibald SD, Jackson BS, Gupta MK
JAMA Otolaryngol Head Neck Surg. 2018 Nov 1; 144(11):1017-1022.
(6) Calcaterra SL, Burnett-Hartman AN, Powers JD, Corley DA, McMullen CM, Pawloski
PA, Feigelson HS. A population-based survey to assess the association between
cannabis and quality of life among colorectal cancer survivors. BMC Cancer. 2020
May 3;20(1):373
(7) PDQ Integrative, Alternative, and Complementary Therapies Editorial Board.
Cannabis and Cannabinoids (PDQ®): Health Professional Version. 2020 Apr 21. PDQ
Cancer Information Summaries [Internet]. Bethesda (MD): National Cancer Institute
(US); 2002-. Available from http://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK65755/
(8) Moccia S, Siano F, Russo GL, Volpe MG, La Cara F, Pacifico S, Piccolella S, Picariello G. Antiproliferative and antioxidant effect of polar hemp extracts (Cannabis sativa L., Fedora cv.) in human colorectal cell lines. Int J Food Sci Nutr. 2019 Sep 23:1-14
(9) Nallathambi R, Mazuz M, Namdar D, Shik M, Namintzer D, Vinayaka AC, Ion A,
Faigenboim A, Nasser A, Laish I, Konikoff FM, Koltai H. Identification of
Synergistic Interaction Between Cannabis-Derived Compounds for Cytotoxic Activity
in Colorectal Cancer Cell Lines and Colon Polyps That Induces Apoptosis-Related
Cell Death and Distinct Gene Expression. Cannabis Cannabinoid Res. 2018 Jun
1;3(1):120-135
(10) Jeong S, Kim BG, Kim DY, Kim BR, Kim JL, Park SH, Na YJ, Jo MJ, Yun HK, Jeong
YA, Kim HJ, Lee SI, Kim HD, Kim DH, Oh SC, Lee DH. Cannabidiol Overcomes Oxaliplatin Resistance by Enhancing NOS3- and SOD2-Induced Autophagy in Human Colorectal Cancer Cells. Cancers (Basel). 2019 Jun 5;11(6)
(11) Aviello G, Romano B, Borrelli F, Capasso R, Gallo L, Piscitelli F, Di Marzo V, Izzo AA. Chemopreventive effect of the non-psychotropic phytocannabinoid cannabidiol on experimental colon cancer. J Mol Med (Berl). 2012 Aug;90(8):925-34.
(12) Nkune NW, Kruger CA, Abrahamse H. Possible Enhancement of Photodynamic Therapy
(PDT) Colorectal Cancer Treatment when Combined with Cannabidiol. Anticancer
Agents Med Chem. 2020 Apr 14
(13) Borrelli F, Pagano E, Romano B, Panzera S, Maiello F, Coppola D, De Petrocellis L, Buono L, Orlando P, Izzo AA. Colon carcinogenesis is inhibited by the TRPM8 antagonist cannabigerol, a Cannabis-derived non-psychotropic cannabinoid. Carcinogenesis. 2014 Dec;35(12):2787-97
(14) Romano B, Borrelli F, Pagano E, Cascio MG, Pertwee RG, Izzo AA. Inhibition of
colon carcinogenesis by a standardized Cannabis sativa extract with high content
of cannabidiol. Phytomedicine. 2014 Apr 15;21(5):631-9
(15) Bar-Lev Schleider L, Mechoulam R, Lederman V, Hilou M, Lencovsky O, Betzalel
O, Shbiro L, Novack V. Prospective analysis of safety and efficacy of medical
cannabis in large unselected population of patients with cancer. Eur J Intern
Med. 2018 Mar;49:37-43
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