„Tickst du noch richtig?“, fragt der Volksmund zu Recht. Nur im stetigen Wechsel zwischen An- und Entspannung, zwischen Aktivität und Ruhe können wir gesund werden und bleiben – das ist Naturgesetz. Unser Leben ist zeitlich durch verschiedene Rhythmen geformt. Dazu gehören der natürliche Hell-Dunkel-Rhythmus und die sozialen Zeiten der Gesellschaft, vor allem jedoch unsere höchst individuelle biologische Innenzeit. In Meine innere Uhr erwarten dich spannende Insights über die Masterclock im Gehirn, welcher Chronotyp du bist und welche vielfältigen Einflüsse eine Rolle spielen, um im wahren Wortsinn (wieder) im Takt des Lebens zu sein.
Seit Jahren erforschen Wissenschaftler*innen, wie eine gezielte chronobiologische Therapie das Wohlbefinden und auch Behandlungsergebnisse verbessern kann. Das Wort Biorhythmus haben viele schon einmal gehört. Doch wie lebenswichtig er ist, wird oft nicht richtig eingeordnet. Ein Bild kann dabei helfen: Warst du schon einmal in einem Uhrenladen mit 100 Billionen Uhren?
Mit sich im Einklang als stabiles Fundament
Tatsächlich verfügt jede deiner 100 Billionen Körperzellen über eine innere Uhr. Die Funktionen aller lebenden Organismen (z. B. auch bei Tieren, Pflanzen und sogar Bakterien) folgen einem individuellen Rhythmus, der genetisch programmiert ist und wichtige biochemische Prozesse sicherstellt. Beim Menschen betrifft das den Energiestoffwechsel ebenso wie den Blutdruck, die Körpertemperatur, Verdauung, Hormonproduktion oder auch die geistige Leistungsfähigkeit und Konzentration. Kurz: Jedes Organ, ob Leber, Herz oder Hirn, ist tagesrhythmisch organisiert und folgt der eigenen inneren Uhr, deren Takt der Schlaf-wach-Rhythmus vorgibt. Eine Schlüsselrolle nimmt dabei das Schlafhormon Melatonin ein.
Was bedeutet zirkadianer Rhythmus?
Der Begriff steht für ungefähr einen Tag mit 24 Stunden. Der rhythmische Wechsel aus Tag und Nacht prägt die innere Uhr am stärksten, weil die sich abwechselnden Wach- und Schlafphasen den gesamten Stoffwechsel und wichtige Körperfunktionen steuern. Bei einem unregelmäßigen Schlaf-wach-Rhythmus lassen sich nachweisen:
- verringerte Stressresistenz
- Störungen des Stoffwechsels
- erhöhte Anfälligkeit für entzündliche Prozesse
- geschwächte Immunabwehr
Der Takt des Lebens ist also bei jedem Menschen sehr individuell und einzigartig, auch wenn wir unseren Rhythmus oft einem gleichförmigen Diktat des Weckers und von außen vorgegebenen Alltagsstrukturen unterwerfen. Deine innere Uhr (wieder) in einen gesunden Takt zu bringen, bedeutet aber nicht, dass du all deine bisherigen Gewohnheiten über Bord werfen solltest. Es lohnt sich jedoch, zu hinterfragen, was deine Innenuhr womöglich stört und wie du sie mit deinem Alltag besser synchronisieren kannst. Viele Lebensstilfaktoren wie eine regelmäßige Morgenroutine oder die Vitalstoffauswahl der Ernährung haben eine gute Zeitgeberwirkung. Gezielt eingesetzt können sie schon vieles zum Positiven verändern.
Jeder kann’s: 3-Schritte Programm für mehr Gesundheit & Leistungskraft
Für meinen Ratgeber habe ich das 3-Schritte-Programm Endlich im Takt entwickelt. Es beinhaltet ganzheitlich aufeinander abgestimmte Möglichkeiten, um mit sich selbst, seinem privaten Umfeld oder auch der beruflichen Situation wieder in Einklang zu kommen, statt nach den zeitlichen Bedürfnissen anderer zu funktionieren. In Schritt 1 geht es um neue Gewohnheiten, den Schlaf-wach-Rhythmus als obersten Dirigent des Körpers zu verbessern. Darum, wie die Natur und Tierwelt dabei zu Vorbildern werden, wie man seine persönliche Energie optimal bündeln und den Tag entspannt bei sich beenden kann. Beispiel: Wer tagsüber durchgehend in Innenräumen arbeitet, dem fehlt das natürliche Tageslicht – und das wiederum stabilisiert die innere Uhr. Je mehr Tageslicht du folglich tankst, desto besser wirst du schlafen können, weil der Organismus mit Einbrechen der Dunkelheit mehr Melatonin produziert.
Schritt 2 des Programms lädt ein, wieder auf die eigenen Körpersignale zu hören und die natürliche Intuition für eine gesunde Ernährung zu nutzen. Möglichkeiten und Übungen für mehr Achtsamkeit im Alltag, individuelle Seelenpflege sowie zur kraftvollen Aktivierung deiner Mitte werden in Schritt 3 vorgestellt. Mit Soforthilfe-Tipps wie z. B. Atemmediationen kannst du auch sofort loslegen.
Der chronobiologische Weg zur personalisierten Medizin
Was fast zu einfach klingt, um wahr zu sein, wird gerade bei schweren chronischen Leiden häufig unterschätzt. An- und Entspannung sind in unserem Alltag oft nicht mehr ausbalanciert und die Waage kippt zugunsten von zu viel Druck und Hektik. Ohne regelmäßige Erholung bringen jedoch trotz aller Anpassungsfähigkeit des Organismus selbst vollkommen gesunde Menschen die einfachsten Tätigkeiten nicht mehr zustande. Musst du etwa im Job wach sein, wenn der Körper Schlaf verlangt, und schlafen, wenn er aktiv sein will, gehören entzündliche Prozesse, Diabetes, Herzleiden bis hin zu Krebserkrankungen zu den langfristigen Folgen, die wissenschaftlich belegt sind. Gut untersucht ist z. B. der Zusammenhang zwischen gestörtem Schlaf und einem erhöhten Brustkrebsrisiko bei Frauen.
Dass der Faktor Zeit auch bei Therapien sehr wichtig ist, hat sich bereits in Studien der späten 1980er- und 1990er-Jahre gezeigt. Prof. Francis Lévi, ein Pionier der Chronotherapie, beschäftigte sich schon in seiner 1976 an der Universität Paris abgeschlossenen Doktorarbeit mit dem Zusammenhang zwischen der körpereigenen Innenuhr und Krebs. In einem Interview, nachzulesen in der Schweizerischen Ärztezeitung, berichtet der Forscher von Untersuchungsergebnissen, die aufzeigen, dass eine Chronotherapie Krebsmedikamente (z. B. 5-Fluorouracil) wesentlich verträglicher und wirksamer machen kann. Dass diese Erkenntnisse nur langsam Einzug in die Praxis halten, sei u. a. dem Aspekt geschuldet, dass selbst in Fachkreisen immer noch das Wissen über die zirkadianen Rhythmen zu wenig vermittelt werde. Auch seien weitere klinische Studien notwendig, um die komplexen Zusammenhänge besser zu verstehen.
Welcher Chronotyp bist du? – Antwort im Ratgeber
Die innere Uhr ist nicht zuletzt mit Grund dafür, warum es einigen Menschen grundsätzlich schwer, anderen leichter fällt, sich etwa von der Winter- auf die Sommerzeit umzustellen, oder nach einem Langstreckenflug wieder in den Tagesrhythmus zu finden. Auch gibt es Menschen, die generell ohne Schwierigkeit die Nacht zum Tag machen können, eben echte Eulen sind. Morgenanbeter, die um halb sechs Uhr in der Frühe die Joggingschuhe schnüren, gehören eher zum Chronotypus der Lerchen. Der Großteil gehört zum als Kolibri bezeichneten Mischtyp. Besonders exakt in der Beantwortung der Typfrage sind Bluttests, entwickelt am Institut für Medizinische Immunologie der Charité Berlin unter Leitung des Chronobiologen Prof. Dr. Achim Kramer – ein wunderbarer Experte, der mich sehr inspiriert hat, und den du im Buch wiedertreffen wirst.
Ausblick Chronotherapie: Mehr Wirkung, weniger Nebenwirkung?
Der Bluttest verrät die Innenzeit der Körperzellen. Das kann u. a. für maßgeschneiderte Chronotherapien von großem Nutzen sein, um etwa die Effektivität einer bestimmten Behandlung zu erhöhen und Nebenwirkungen zu reduzieren. Nur eine einzige Blutprobe ist dazu erforderlich. Bestimmt wird die Aktivität von etwa einem Dutzend Gene – darunter auch die Clockgene. „In einer morgens entnommenen Blutprobe erwarten wir im Labor entsprechend morgenaktive Gene“, erklärt Kramer. „Messe ich in dieser Morgenprobe aber z. B. hoch aktive Mitternachts- und kaum Morgengene, ist es für diesen Menschen innerlich praktisch noch Nacht. Auch seine Körperfunktionen laufen folglich noch im Nachtmodus.“ Erkenntnisse über die explizite Innenzeit können Hinweise darauf geben, wie die Einnahme bestimmter Medikamente tageszeitabhängig anzupassen ist. Bei beispielsweise Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Rheuma oder Krebsleiden kann eine solche Chronotherapie sinnvoll sein und die Behandlungsergebnisse verbessern, ist der Forscher überzeugt. Wenn du mehr über die Möglichkeiten einer individuell passgenauen chronobiologischen Therapie wissen willst, sprich bitte deine Ärzt*innen darauf an.
Zeitlichkeit des Lebens: Definition Chronobiologie
Unser biologisches Programm sieht vor, dass wir tagsüber Leistung erbringen, die Nacht ist die Zeit für tiefgreifende Erholung. Nichtsdestotrotz unterscheiden wir uns in unserer Tagesfitness individuell deutlich voneinander. Seit etwa Mitte des 20. Jahrhunderts betrachtet die Chronobiologie (chronos, gr. = Zeit) Veränderungen des menschlichen Organismus in Zusammenhang mit zeitlich wiederkehrenden Abläufen. Besonders die Verhaltensforschung war zunächst an chronobiologischen Fragestellungen interessiert, inzwischen erkunden aber auch Fachleute der Endokrinologie (Erforschung der Hormone), der Immunologie (Erforschung der körperlichen Abwehr von Krankheitserregern), der Molekularbiologie (Erforschung des Lebens auf der kleinstmöglichen Ebene), der Neurowissenschaft (Erforschung des Nervensystems) sowie der Genetik diese noch junge wissenschaftliche Disziplin, denn sie ist richtungsweisend für ein gesundes, dynamisches Leben.
Über die Autorin
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