könnten Heilpflanzen bei Morbus Hashimoto hilfreich sein?
Viele Patienten mit Morbus Hashimoto suchen ergänzend zur Schulmedizin nach Möglichkeiten, ihre Beschwerden natürlich zu lindern. Pflanzenheilkunde ist eine der häufig verwendeten Möglichkeiten der Naturheilkunde bei Morbus Hashimoto. Daneben spielen oft auch die Einnahme von Selen und Vitamin D, natürlichen Jodquellen, eine Darmsanierung, eine Stressreduktion mittels MBSR-Kursen oder eine Schwermetallausleitung eine Rolle. Diese Maßnahmen sind keine ursächlichen Therapien des Morbus Hashimoto, könnten aber eine schulmedizinische Therapie ergänzen und begleiten.
Bei Menschen mit Schilddrüsenerkrankungen werden unterschiedliche Heilpflanzen empfohlen wie zum Beispiel Weißdorn (Crataegus monogyna), Hopfen (Humulus lupulus), Wolfstrapp (Lycopus europeus), Herzgespann (Leonurus cardiaca) oder Braunelle (Prunella vulgaris). Im Folgenden wollen wir uns verschiedene Heilpflanzen und deren aktuelle Forschung ansehen. Es ist wichtig, die Wirkung der einzelnen Heilpflanzen, aber auch deren Grenzen genau zu kennen. Auch wenn einzelne Studienergebnisse vielversprechend klingen: für die Befürwortung einer ursächlichen Therapie des Morbus Hashimoto mit Heilpflanzen fehlen aussagekräftige klinische Studien. Ihre Wirksamkeit ist – gemäß der evidenzbasierten Medizin – noch nicht bewiesen.
Inhaltsstoffe von Heilpflanzen beeinflussen den Stoffwechsel der Schilddrüse
Heilpflanzen weisen eine Reihe von Inhaltsstoffen auf, die den Stoffwechsel der Schilddrüse beeinflussen könnten. Dazu zählen unter anderem die sogenannten Flavonoide. Es handelt sich hierbei um pflanzliche Farbstoffe, die sich in vielen Nahrungsmitteln und Arzneipflanzen finden. Flavonoide sind für die rote, blaue, gelbe und bisweilen violette Farbe in vielen Pflanzen und deren Früchte verantwortlich. Die Naturheilkunde hält bei Schilddrüsenerkrankungen deren regelmäßige Zufuhr unter anderem wegen ihrer entzündungshemmenden, antiproliferativen und antikanzerogenen Wirkungen für ratsam. (1)
Heilkräuter, die eine große Menge an Flavonoiden enthalten und die bei Schilddrüsenerkrankungen verwendet werden, sind unter anderem: Weißdorn, Hopfen, Passionsblume, Bitterorange und Ginkgo.
Auch andere Inhaltsstoffe scheinen die Schilddrüse zu beeinflussen. Dazu zählen unter anderem die ätherischen Öle, die sogenannten Labiatengerbsäuren und Elemente wie Schwefel oder Jod. Sie könnten unter anderem den Stoffwechsel der Schilddrüsenhormone einwirken. Es wird vermutet, dass Schwefel eher hemmend auf die Produktion von Schilddrüsenhormonen wirkt, während Jod diese generell fördert.
Beeinflussen Heilpflanzen die Schilddrüsenhormone?

Ufer-Wolfstrapp
Erste Studien zeigen: Heilpflanzen könnten Studien zufolge Schilddrüsenhormone auf verschiedenen Wegen beeinflussen. Im Blickpunkt der moderner Forschung und phytotherapeutischer Anwendung bei Erkrankungen der Schilddrüse stehen unter anderem das Herzgespann (Leonurus cardiaca) (2) und der Wolfstrapp (Lycopus europeus). Diese beiden Pflanzen werden vor allem bei einer Überfunktion des Organs und damit einhergehenden Beschwerden wie Herzrasen oder Erschöpfung empfohlen. In Studien zeigte sich deren Wirkung auf den T3-, als auch den TSH-Spiegel. (3) Auch Melisse (Melissa officinalis) wird volksheilkundlich bei Symptomen einer Schilddrüsenüberfunktion angewandt. (4) Melisse, Herzgespann und Wolfstrapp wirken dabei nicht indirekt auf den Schilddrüsenstoffwechsel. Sie regulieren Studien zufolge mit polyphenolischen Stoffen die Aktivität des hypophysären Hormons TSH, das wiederum die Aktivität der Schilddrüse reguliert.
Über eine harmonisierende Wirkung auf den Schilddrüsenstoffwechsel sollen die sogenannten Phytoöstrogene verfügen. (5) Es handelt sich hierbei um Pflanzeninhaltsstoffe, die ihrer Struktur nach dem Hormon Östrogen ähnlich sind. Aus diesem Grund könnten sie an Östrogenrezeptoren andocken und eine östrogene oder antiöstrogene Wirkung entfalten. Es wird angenommen, dass Phytoöstrogene bei Patientinnen auch auf den Hormonstoffwechsel der Schilddrüse wirken. Eine Schilddrüsenunterfunktion könnte hohe Prolaktinwerte, eine Östrogendominanz und dadurch bedingter Progesteronmangel eine Unterfunktion der Schilddrüse provozieren.
Heilpflanzen scheinen die Tätigkeit der Schilddrüse auch anregen zu könnten. Hierfür sind unter anderem Heilpflanzen mit durchblutungsfördernden ätherischen Ölen wie Rosmarin oder Thymian oder mit Jod von Bedeutung. Jod findet sich unter anderem in Flechten und Algen. Diese könnten gemäß der Erfahrungsheilkunde als Heilkräuter für eine Schilddrüsenunterfunktion von Bedeutung sein. Vorsicht: eine Anregung des Schilddrüsenstoffwechsels muss wohl überlegt sein, da damit eventuell auch Entzündungsprozesse angeregt werden könnten.

Herzgespann
Die Naturheilkunde versucht meist mehrere weitere Aspekte der Erkrankung zu berücksichtigen. Typische Beschwerden bei einer Überfunktion der Schilddrüse könnten sein: Wärmeintoleranz, Schweißausbrüche gesteigerte Stuhlfrequenz, Haarausfall, Zyklusstörungen, Schlafstörungen, Heißhunger und Gewichtsabnahme. Mögliche Beschwerden bei einer Unterfunktion sind hingegen: Leistungsminderung, Schwäche, Antriebsmangel, Müdigkeit, Kältegefühl und Frieren, Gedächtnisminderung, Verstopfung, verminderte Schweißneigung, depressive Stimmungen, Gewichtszunahme, Herzbeschwerden, Haarausfall, Appetitlosigkeit und Gliederschmerzen. Für nervöse Unruhe und Schlafstörungen wird volksheilkundlich zum Beispiel der beruhigend und schlaffördernd wirkende Lavendel angewandt.
Braunelle bei Morbus Hashimoto: interessante Studienergebnisse
Im letzten Abschnitt fanden sich viele Heilkräuter aus der Familie der Lippenblütler: das Herzgespann, der Rosmarin, der Thymian oder der Wolfstrapp. Viele Lippenblütler scheinen eine besondere Affinität zu der Schilddrüse zu haben. Ein weiterer Lippenblütler, der in diesem Zusammenhang in Zukunft zu beachten ist, wäre die Braunelle. Die Braunelle liefert einen Grund, den eigenen Rasen nicht zu häufig zu mähen. Denn dann die kleine Pflanze dort gedeihen und ihre zart violetten Blüten zeigen. Obwohl sie bei uns sehr häufig wächst, wird sie in der Volksheilkunde relativ wenig eingesetzt. Gebräuchlicher ist sie in der Traditionellen Chinesischen Heilkunde (TCM).
In den letzten Jahren mehren sich die Studien, die den Effekt der Braunelle bei Morbus Hashimoto untersuchen. Mit beachtlichen Ergebnissen: Wirkstoffe der Braunelle scheinen in Studien die bei dieser Erkrankung zugrunde liegende Entzündungsreaktion hemmen zu könnten. Studien beschreiben etwa ihre Fähigkeit, die für die Hashimoto-Thyreoiditis typischen Antikörper gegen thyreoidale Peroxidase (TPO-AK) und die Antikörper gegen Thyreoglobulin (Tg-AK) zu senken. Dies scheint einer 2020 veröffentlichten japanischen Publikation zufolge auf den Wechselwirkungen von Wirkstoffen der Pflanze mit der Genexpression im Schilddrüsenzellen verbunden zu sein. Dadurch soll unter anderem die Bildung von entzündungsfördernden Botenstoffen gehemmt werden. Ob diese Ergebnisse aus der Grundlagenforschung bei Menschen therapeutisch relevante Ergebnisse zeigen, könnten erst klinische Studien untersuchen. Diese stehen noch aus.
Heilpflanzen bei Morbus Hashimoto einsetzen?
Heilpflanzen scheinen die Schilddrüse beeinflussen zu könnten, unter anderem über die Regulierung des Hormonstoffwechsels. Dies konnten bisher einzelne Studien zeigen. Deren Ergebnisse sind mit Vorsicht zu genießen. Sie klingen zwar vielversprechend, könnten aber die Wirksamkeit und eventuelle Unbedenklichkeit der Heilpflanzen bei Morbus Hashimoto nicht eindeutig demonstrieren. Dafür wären aussagekräftige klinische Studien notwendig, die es bis heute leider nicht gibt. Keine der offiziellen Heilpflanzen-Monografien (ESCOP, Kommission E, WHO, HMPC) schlägt daher eine Heilpflanze zur Behandlung des Morbus Hashimoto vor.