Warum das Interesse für Cannabinoide so groß ist
Glioblastome sind die häufigste und aggressivste Form von Hirntumoren, jedes Jahr sind allein in England etwa 2.200 Menschen davon betroffen. Glioblastome wachsen normalerweise schnell, mit schlecht definierten Grenzen, die sich in andere Teile des Gehirns erstrecken. Fast alle Glioblastome treten auch nach intensiver Behandlung mit Operation, Strahlen- und Chemotherapie wieder auf, und die durchschnittliche Überlebenszeit beträgt nur 12-18 Monate ab Erstdiagnose.
In den letzten zehn Jahren gab es sowohl in der Patienten- als auch in der Wissenschaftsgemeinschaft ein erhebliches Interesse an Cannabinoiden als Therapieoption bei Hirntumoren. Cannabis-Wirkstoffe könnten zur Linderung von Symptome beitragen, sondern womöglich auch das Überleben positiv beeinflussen.
Mehrere präklinische Laborstudien haben gezeigt, dass die Cannabinoide THC und CBD das Wachstum von Hirntumorzellen reduzieren und die Blutversorgung von Tumoren stören– aber bis heute gab es nur begrenzte klinische Beweise, dass sie in der Behandlung Hirntumore wirksam sind.
Sativex bei Glioblastomen: eine große Studie ist geplant
Eine große britische Studie mit dem auf Cannabis-Medikament Sativex zur Behandlung der aggressivsten Form von Hirntumoren, Glioblastomen, soll nach vielversprechenden Ergebnissen einer Phase-I-Studie mit 27 Patienten in 15 NHS-Krankenhäusern gestartet werden.
Die neue Phase-II-Studie, die von der University of Leeds geleitet wird, untersucht, ob die Zugabe von Sativex – einem oralen Spray mit den Cannabinoiden THC und CBD – zusätzlich zur Chemotherapie das Leben von Tausenden, bei denen ein rezidivierendes Glioblastom diagnostiziert wurde, verlängern könnte. Derzeit haben Betroffene eine durchschnittliche Überlebenszeit von weniger als 10 Monaten.
Sativex beim Glioblastom: bisherige Ergebnisse
Das Medikament Sativex, das bereits unter anderem bei der Behandlung von Multipler Sklerose (MS) eingesetzt wird, erwies sich in einer Phase-I-Studie in Kombination mit einer Chemotherapie bei Menschen mit Glioblastomen Anfang dieses Jahres als gut verträglich. Zusätzlich zeigte sich das Potenzial, das Überleben zu verlängern.
Die Phase-I-Studie beobachtete, dass nach einem Jahr in der Gruppe mit Menschen, die Sativex bekamen, mehr Patienten am Leben waren als in der Placebo-Gruppe. Die Studie war jedoch nicht aussagekräftig genug, um statistisch signifikante Auswirkungen auf das Überleben zu zeigen. Dies will die neue Studie ändern.
Die neue dreijährige Phase-II-Studie (ARISTOCRAT) wird von The Brain Tumor Charity finanziert und von der Cancer Research UK Clinical Trials Unit der University of Birmingham koordiniert. Sie beginnt Anfang 2022 mit der Rekrutierung von mehr als 230 Patienten in Großbritannien, sofern ausreichende finanzielle Mittel aufgebracht werden. Aufgrund der Pandemie könnte das schwierig werden.
Finanzielle Schwierigkeiten zu Beginn der Studie
Die Einnahmen der Stiftung sanken im vergangenen Jahr aufgrund der Pandemie um mehr als 25 %. Die The Brain Tumor Charity hat deshalb einen Aufruf gestartet, um die 450.000 Pfund, die für die Eröffnung der Studie so schnell wie möglich benötigt werden, aufzubringen.
Was von der neuen Studie zu hoffen ist
Experten hoffen, dass Sativex, sollte sich die Studie als erfolgreich erweisen, eine der ersten Ergänzungen der Behandlung für Glioblastom-Patienten seit der Temozolomid-Chemotherapie im Jahr 2007 darstellen könnte.
Professorin Susan Short koordiniert die neue Studie, sie ist Professorin für klinische Onkologie und Neuroonkologie in Leeds. Sie sagte: „Die Behandlung von Glioblastomen bleibt eine große Herausforderung. Selbst mit Operation, Strahlen- und Chemotherapie wachsen fast alle dieser Hirntumore innerhalb eines Jahres nach, und leider gibt es für die Patienten dann nur noch wenige Möglichkeiten.“
„Es wurde gezeigt, dass Glioblastom-Hirntumore Rezeptoren für Cannabinoide auf ihrer Zelloberfläche haben, und Laborstudien an Glioblastom-Zellen haben gezeigt, dass Cannabinoide auf diesem Weg das Tumorwachstum verlangsamen könnten – und besonders gut wirken, wenn sie zusammen mit dem Wirkstoff Temozolomid angewendet werden.“