Ist das Verdampfen von Cannabis mit einem Vaporizer gesund?
Immer mehr Menschen schätzen das Verdampfen von Cannabis mit einem Vaporizer. Darunter sind viele, die Cannabis aufgrund einer medizinischen Indikation verdampfen. Dafür gibt es gute Gründe: Die praktische Erfahrung zeigt, dass Cannabis und seine Cannabinoide wie THC oder CBD bei verschiedenen Erkrankungen oder Beschwerden hilfreich sein könnten. Daher ist auch das Interesse der Forschung groß: Klinische Studien prüfen, ob Cannabis oder CBD bei Krebs, MS, Epilepsie und vielen anderen schweren Erkrankungen helfen.
Doch nicht nur Menschen mit Erkrankungen greifen zum Vaporisator. Auch immer mehr Freizeitkonsumenten verdampfen Cannabis. Dies gilt als ein „gesunder Weg“, Cannabisblüten zu konsumieren. Es gibt gute Gründe für die Annahme, dass das Verdampfen von Cannabis weniger toxische Substanzen erzeugt als das Rauchen von Cannabis. Dennoch wurde das Verdampfen von Cannabis mit mehreren Fällen akuter Lungenverletzung in Verbindung gebracht. Zudem birgt es akute und langfristige Gesundheitsrisiken für Jugendliche, die – in der Annahme eine sichere Form des Konsums zu praktizieren – hoch-potente Cannabis-Sorten leichtfertig konsumieren.
Ist das Inhalieren von Cannabis nun gesund oder nicht? Eine 2020 veröffentlichte kanadische Studie geht dem Problem auf den Grund. (1)
„Gesunder Konsum?“ – ein positives Image könnte zu Problemen führen
Das Verdampfen mit einem Vaporizer ist heute weit verbreitet. Dafür sorgt auch die Industrie mit schicken und jugendlichen Designs, aggressiver Werbung für E-Zigaretten und das zunehmend positive Image, das Cannabis aufgrund seiner medizinischen Anwendungsmöglichkeiten in der Öffentlichkeit genießt. Eine jüngere Online-Umfrage ergab, dass 44 Prozent der amerikanischen Cannabis-Konsumenten Cannabis mit einem Vaporizer inhaliert haben. (2) Dies könnte durchaus günstig bewertet werden. Denn verschiedene Studien haben gezeigt, dass das Rauchen von Cannabis deutlich ungesünder ist als das Inhalieren mit einem Vaporizer. (3)
Das damit einhergehende positive Image des Vaporizer hat aber auch Nachteile: Es lädt zur Verwendung von hochwirksamen Konzentraten und hoch-potenten Cannabis-Sorten ein. Dies könnte Untersuchungen zufolge zu einer höheren Inzidenz von psychischen und physischen Gesundheitsproblemen und zu einem höheren Risiko für die Entwicklung akuter Nebenwirkungen wie Paranoia oder Psychose führen. (4)
Anlass zur Sorge geben auch parfümierte Cannabis-Produkte, die für den Vaporizer-Konsum angeboten werden. Diese könnten unter anderem toxisch auf die Lungenschleimhaut wirken. (5)
Besonders in den USA tritt zudem ein neues Phänomen auf, die als EVALI eine akute Lungenschädigung nach Vaporizer-Konsum.
EVALI: Atemnot und Lungenschädigung nach dem Vapen von Cannabis
Seit Mitte 2019 verzeichneten Ärzte in den USA einen sprunghaften Anstieg der Fälle von schweren Lungenschädigungen nach Vaporizer-Konsum, die mit Atemnot einhergehen und zu einem Lungenversagen und zum Tod führen könnten. In den meisten Fällen (über 75 Prozent) hatten die Konsumenten THC-Liquids verdampft, als wesentliche Ursache konnte bisher das gelegentlich sogar als Hauptbestandteil in den konsumierten Produkten enthaltene Vitamin-E-Acetat ausgemacht werden. (6) Bei den meisten Patienten, bei denen EVALI diagnostiziert wurde, traten schwere Atemwegssymptome wie Husten, Brustschmerzen oder Kurzatmigkeit, Magen-Darm-Beschwerden wie Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall und Allgemeinsymptome wie Fieber, Schüttelfrost und Gewichtsverlust auf. Besonders Asthmatiker und Zigarettenraucher scheinen ein höheres Risiko für das Auftreten von EVALI zu haben.
In einer Fallserie mussten mehr als die Hälfte der im Krankenhaus mit EVALI aufgenommenen Patienten intensivmedizinisch überwacht und ein Drittel beatmet werden. Bei einem Viertel entwickelte sich ein akutes Lungenversagen, das zum Tod führen könnte. (7) Wer bereits schwer an einer Lungenerkrankung leidet, könnte an EVALI sterben. Dies gilt insbesondere für Menschen mit einer chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD).
Besteht eine Gefahr für EVALI auch in Deutschland?
Das Auftreten von EVALI wird mit Zusatzstoffen wie Vitamin-E-Acetat in Verbindung gebracht, das in Deutschland Liquids nicht zugesetzt werden darf. E-Zigaretten und nikotinhaltige Liquid fallen unter das Tabakerzeugnisgesetz, das – angelehnt an eine EU-Richtlinie – Inhaltsstoffe verbietet, die gesundheitsschädlich sein könnten. Der Zusatz von Vitaminen fällt auch darunter. In Deutschland ist daher mit dem Auftreten des EVALI nicht zu rechnen. Ein Restrisiko besteht noch für Produkte vom Schwarzmarkt, die keiner Kontrolle unterliegen.
Sicherer Konsum beim Vapen von Cannabis: Das ist zu beachten
Die kanadische Gesundheitsbehörde erwähnt derzeit in ihren Leitlinien für den gesunden Cannabiskonsum, dass das Verdampfen von Cannabis aufgrund geringerer toxischer Emissionen sicherer ist als das Rauchen. Es ist wichtig, dass diese Botschaft nicht falsch verstanden wird. Junge Menschen mit einem sich noch entwickelnden Gehirn sind besonders gefährdet für akute oder chronische Nebenwirkungen von Cannabis-Konsum. Diese konsumieren zudem oft fragwürdige Cannabis-Produkte, die auf dem Schwarzmarkt erworben werden.
Die medizinische Anwendung von Cannabis mit einem Vaporizer gilt weiterhin als sicher – wenn ausschließlich geprüfte und für den medizinischen Einsatz geeignete Cannabis-Sorten zur Anwendung kommen. Wer als Cannabis-Patient Bedenken hat, sollte dies mit seiner Ärztin oder seinem Arzt besprechen – besonders Asthmapatienten, Zigarettenraucher oder Menschen mit COPD sollten dies machen.
Wer nach dem Vapen von Cannabis unter Symptomen wie Atemnot leidet, sollte umgehend ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen.
Quellennachweis
(1) Chadi N, Minato C, Stanwick R. Cannabis vaping: Understanding the health risks of a rapidly emerging trend. Paediatr Child Health. 2020 Jun;25(Suppl 1):S16-S20. doi: 10.1093/pch/pxaa016. Epub 2020 Jun 15
(2) Emerging Trends in Cannabis Administration Among Adolescent Cannabis Users.
Knapp AA, Lee DC, Borodovsky JT, Auty SG, Gabrielli J, Budney AJ
J Adolesc Health. 2019 Apr; 64(4):487-493
(3) No smoke, no fire: What the initial literature suggests regarding vapourized cannabis and respiratory risk. Loflin M, Earleywine M Can J Respir Ther. 2015 Winter; 51(1):7-9.
(4) Examining links between cannabis potency and mental and physical health outcomes.
Prince MA, Conner BT Behav Res Ther. 2019 Apr; 115():111-120
(5) Civiletto CW, Aslam S, Hutchison J. Electronic Delivery (Vaping) Of Cannabis And Nicotine, 2019
(6) Centers for Disease Control and Prevention. CDC, FDA, States Continue to Investigate Severe Pulmonary Disease Among People Who Use E-cigarettes | CDC Online Newsroom | CDC, 2019
(7) Jennifer E. Layden, Isaac Ghinai, Ian Pray, Anne Kimball, Mark Layer, Mark W. Tenforde, Livia Navon, Brooke Hoots, Phillip P. Salvatore, Megan Elderbrook, Thomas Haupt, Jeffrey könntee, Megan T. Patel, Lori Saathoff-Huber, Brian A. King, Ph.D., Josh G. Schier, Christina A. Mikosz, Jonathan Meiman et al.: Pulmonary Illness Related to E-Cigarette Use in Illinois and Wisconsin — Final Report New England Journal of Medicine 2020, Band 382, Ausgabe 10 vom 5. März 2020, Seiten 903–916
Wichtiger Hinweis zu unseren Artikeln
Wir bemühen uns, Ihnen auf diesem Blog aktuelle, sachliche und faktenbasierte Informationen zu geben. Diese könnten jedoch nicht die fachkundige Behandlung und Beratung durch Ihren Arzt ersetzen. Informieren Sie ihn über Ihre Beschwerden. Besprechen Sie sich mit Ihm, wenn Sie Hinweise aus diesem Blog bei Ihrer Therapie berücksichtigen möchten.