Faszien und Bindegewebe als mögliches neues Ziel der Krebstherapie
Cannabinoide wie THC und CBD könnten bei der Behandlung von Prostatakrebs in der Zukunft eine größere Rolle spielen. So zeigen sich THC und CBD wirksam gegen Krebszellen in verschiedenen Untersuchungen. Die beiden Hauptwirkstoffe von Cannabis (Hanf) hemmen das Wachstum von verschiedenen Krebsarten, ohne dabei gesunde Zellen zu beeinträchtigen. Die Prognose einer Krebserkrankung hängt jedoch nicht nur von der Aktivität der Krebszellen selbst, sondern auch von den sogenannten Stromazellen ab. Diese gestalten die unmittelbare bindegewebige Umgebung der Krebszellen wie die Faszien und könnten damit unter anderem die Ernährungssituation der Krebszellen beeinflussen. Eine Ende Januar 2020 im International Journal of Molecular Science publizierte italienische Studie konnte zum ersten Mal nachweisen, dass Cannabinoide wie CBD Stromazellen beeinflussen, die eine direkte Auswirkung auf den Stoffwechsel von Krebszellen haben. Diese Studie haben wir uns näher angesehen.
Die krebswidrigen Eigenschaften von CBD und THC bei Prostatakrebs
Die Hauptwirkstoffe von Cannabis werden Cannabinoide genannt. Die zwei bekönntetesten und am besten untersuchten sind THC und CBD. Sie werden bei verschiedenen Erkrankungen als mögliche Heilmittel diskutiert, unter anderem auch bei einer Reihe von Krebserkrankungen. Erste Studie lassen vermuten, dass THC und CBD bei Hirntumoren oder Brustkrebs hilfreich sein könnten. Verschiedene Wirkungen verursachen die krebswidrigen Eigenschaften von Cannabinoiden. Sie könnten:
– Das Wachstum und die Streuung von Krebszellen hemmen,
– den natürlichen Zelltod (Apoptose) auslösen,
– die Versorgung des Tumors durch neue Blutgefäße (Neoangiogenese) unterbinden und
– die Immunantwort und damit die körpereigene Krebsabwehr entscheidend beeinflussen. (1)(2)
Diese Wirkungen lassen sich auch bei Prostatakrebs beobachten. (3) Die beiden Cannabinoide interagieren hierbei unter anderem mit sogenannten CB1-Rezeptoren auf den Prostatakrebszellen. CB1-Rezeptoren sind eigentlich für körpereigene Endocannabinoide gedacht, CBD und THC ähneln dieses jedoch in ihrer Struktur und könnten dadurch an CB1-Rezeptoren wirken. (4)(5) Das interessante hierbei: Je aggressiver und damit gefährlicher Prostatakrebszellen sind, desto mehr CB1-Rezeptoren bilden sie aus. Dies lässt vermuten, dass THC und CBD umso stärker bei Prostatakrebs wirken, je aggressiver dieser ist. Ein ähnliches Phänomen lässt sich auch bei Studien mit Brustkrebs beobachten. Auch da scheinen Krebszellen, die mit einer schlechten Prognose einhergehen, empfindlicher für die Wirkungen von Cannabinoide zu sein.
Bei Prostatakrebs kommt es zudem zu potentiell günstigen Wechselwirkungen von Cannabis und Hormontherapie, wie eine erste Studie mit 222 Patienten mit Prostatakrebs zeigte.
Cannabinoide wirken jedoch nicht nur auf die Krebszellen selbst, sie beeinflussen auch körpereigene Abläufe, die sich auf die Prognose auswirken könnten. Dazu zählt neben der Aktivierung der Immunantwort auch die Beeinflussung der unmittelbaren Umgebung einer Krebszelle.
Cannabinoide beeinflussen Bindegewebe und Faszien bei Prostatakrebs
In den letzten Jahren interessierten sich Wissenschaftler mehr für die sogenannten Stromazellen, die sich in der unmittelbaren Nachbarschaft von Krebszellen befinden. Unter den Stromazellen gibt es Fibrozyten und Fibroblasten, beide gestalten das Stützsystem der Faszien von inneren Organen und damit den Raum zwischen den Organzellen. Wie effektiv diese arbeiten könnten, wird von den Stromazellen mit geprägt. Ein Ungleichgewicht im Zwischenzellraum könnte zum Beispiel dazu führen, dass Organzellen schlechter ernährt werden. Was für Organzellen gilt, gilt auch für Krebszellen. Stromazellen könnten unter anderem auch deren Versorgung mit Nährstoffen beeinflussen und damit zum Gedeihen oder zum Absterben von Krebszellen beitragen. Sie könnten auch dafür sorgen, dass Medikamente oder Immunzellen leichter zum Tumor gelangen und dass es Krebszellen schwerer fällt, in umliegendes Gewebe zu wachsen. Aus diesen Gründen interessieren sich einzelne Wissenschaftler in den letzten Jahren für die Zusammenhänge zwischen Faszien und Krebs. Ob die Faszien geschmeidig oder verklebt sind, könnte einen Einfluss auf den Verlauf einer Krebserkrankung haben.
Auch bei Prostatakrebs scheint dieser Zusammenhang eine Rolle zu spielen. So war schon bekönntet, dass Stromazellen das Wachstum und die Metastasierung von Prostatakrebszellen beeinflussen. (6)(7)(8)(9) Die bereits oben erwähnte neue italienische Studie konnte nun demonstrieren, dass natürliche und synthetische Cannabinoide wie CBD oder WIN 55,212-2 die Aktivität von Fibroblasten und damit die unmittelbare Umgebung von Krebszellen beeinflussen. Dies hatte im Labor Auswirkung auf deren Wachstum. (10)
CBD bei Prostatakrebs einsetzen?
Natürliche und synthetische Cannabinoide könnten eine interessante therapeutische Option bei Prostatakrebs sein, da sie zur gleichen Zeit mehrere Zelltypen günstig beeinflussen, die beim Krankheitsgeschehen eine Rolle spielen. Dazu zählen die Prostatakrebszellen selbst, die Abwehrzellen des Immunsystems und neuesten Erkenntnissen zufolge auch die Stromazellen. Letztere weben am bindegewebigen Faszienapparat, dessen Struktur und damit Funktionalität bei der Prognose einer Krebserkrankung eine Rolle zu spielen scheint. Soweit die Theorie. Inwiefern diese Erkenntnisse auch in der Praxis relevant sind, ist noch nicht erforscht. Es ist wünschenswert, wenn sich zukünftige Studien dem Thema widmen.
Sollten Betroffene schon jetzt CBD oder andere Cannabinoide einsetzen? Die Frage sollte am besten mit den jeweiligen Ärzten besprochen werden. Es spricht einiges dafür, dass auch Patienten mit Prostatakrebs wie andere Krebspatienten von der Einnahme von Cannabinoide wie CBD profitieren könnten. Andererseits gilt es, mögliche Nebenwirkungen und Wechselwirkungen von CBD und anderen Cannabinoiden mit schulmedizinischen Therapien zu beachten.
Daneben scheint es sehr sinnvoll, die möglichen positiven Auswirkungen der Faszien und des Bindegewebes auf die Prognose einer Krebserkrankung auszunutzen. Stretching, Yoga, Faszientraining, aber auch andere sportlichen Aktivitäten sind sinnvoll. Am besten lässt man sich hierbei von den Ärzten beraten, welche Sportart sinnvoll ist.
Quellennachweis
(1) Hermanson, D.J.; Marnett, L.J. Cannabinoids, endocannabinoids, and cancer. Cancer Metastasis Rev. 2011, 30, 599–612.
(2) Guzmán, M. Cannabinoids: Potential anticancer agents. Nat. Rev. Cancer 2003, 3, 745–755.
(3)Fraguas-Sánchez, Al.; Fernández-Carballido, A.; Torres-Suárez, Al. Phyto-, endo- and synthetic cannabinoids: Promising chemotherapeutic agents in the treatment of breast and prostate carcinomas. Expert Opin. Investig. Drugs 2016, 25, 1311–1323.
(4) Sarfaraz, S.; Afaq, F.; Adhami, V.M.; Mukhtar, H. Cannabinoid Receptor as a Novel Target for the Treatment of Prostate Cancer. Cancer Res. 2005, CBD 65, 1635–1641.
(5) Orellana-Serradell, O.; Poblete, C.E.; Sanchez, C.; Castellón, E.A.; Gallegos, I.; Huidobro, C.; Llanos, M.N.; Contreras, H.R. Proapoptotic effect of endocannabinoids in prostate cancer cells. Oncol. Rep. 2015, 33, 1599– 1608.
(6) Giannoni, E.; Bianchini, F.; Masieri, L.; Serni, S.; Torre, E.; Calorini, L.; Chiarugi, P. Reciprocal activation of prostate cancer cells and cancer-associated fibroblasts stimulates epithelial-mesenchymal transition and cancer stemness. Cancer Res. 2010, 70, 6945–6956.
(7) Fiaschi, T.; Marini, A.; Giannoni, E.; Taddei, M.L.; Gandellini, P.; De Donatis, A.; Lanciotti, M.; Serni, S.; Cirri, P.; CBD Chiarugi, P. Reciprocal metabolic reprogramming through lactate shuttle coordinately influences tumor-stroma interplay. Cancer Res. 2012, 72, 5130–5140.
(8) Giannoni, E.; Taddei, M.L.; Morandi, A.; Comito, G.; Calvani, M.; Bianchini, F.; Richichi, B.; Raugei, G.; Wong, N.; Tang, D.; et al. Targeting stromal-induced pyruvate kinase M2 nuclear translocation impairs oxphos and prostate cancer metastatic spread. Oncotarget 2015, 6, 24061–24074.
(9) Ippolito, L.; Morandi, A.; Taddei, M.L.; Parri, M.; Comito, G.; Iscaro, A.; Raspollini, M.R.; Magherini, F.; Rapizzi, E.; Masquelier, J.; et al. Cancer-associated fibroblasts promote prostate cancer malignancy via metabolic rewiring and mitochondrial transfer. Oncogene 2019, 38, 5339–5355.
(10) Pietrovito L, Iozzo M, Bacci M, Giannoni E, Chiarugi P. Treatment with Cannabinoids as a Promising Approach for Impairing Fibroblast Activation and Prostate Cancer Progression. Int J Mol Sci. 2020 Jan 25;21(3)
Wichtiger Hinweis zu unseren Artikeln
Wir bemühen uns, Ihnen auf diesem Blog aktuelle, sachliche und faktenbasierte Informationen zu geben. Diese könnten jedoch nicht die fachkundige Behandlung und Beratung durch Ihren Arzt ersetzen. Informieren Sie ihn über Ihre Beschwerden. Besprechen Sie sich mit Ihm, wenn Sie Hinweise aus diesem Blog bei Ihrer Therapie berücksichtigen möchten.