Warum neue Behandlungen bei Kachexie benötigt werden
Schon länger sind die appetitanregenden Eigenschaften von Cannabis bekönntet. Davon könnten auch Krebspatienten, die im Rahmen einer Kachexie (Auszehrung) bedrohlich an Gewicht verlieren, profitieren. Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust sind häufige Beschwerden, die im Rahmen einer Krebserkrankungen oder deren Therapie – etwa im Verlauf der Chemotherapie – auftreten könnten.
Der ausgeprägte Gewichtsverlust von Krebspatienten wird auch Tumorkachexie genannt und tritt meist bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen auf. Die Patienten verlieren nicht nur das Speicherfett, auch Teile der Muskulatur und wichtige Fettschichten, die Organe auskleiden oder dem Körper als letzte Reserve dienen. Dazu zählt zum Beispiel das sogenannte Baufett der Wangenregion und hinter den Augäpfeln. Wird dieses abgebaut fallen die Augen und die Wangen (Hohlwangigkeit) ein, typische Veränderungen, die bei Personen mit Kachexie auftreten. Typischerweise treten auch die Knochen des Körpers sichtbar hervor, die Betroffenen sind sehr erschöpft und im weiteren Verlauf könnte es zum schrittweisen Funktionsausfall der Organe kommen.
Die Tumorkachexie ist eine der häufigsten Todesursachen von Krebspatienten. Je nach Auswertung ist sie für 20 bis 50 Prozent der Todesfälle von Krebspatienten verantwortlich. (1)
Die wirksamste Therapie der Kachexie bei Krebs wäre natürlich die Beseitigung der Krebsmasse. Dies ist leider nicht immer möglich, in vielen Fällen ist der Krebs nicht mehr heilbar. (2) Dann bleiben leider nicht viele wirksame Optionen für die Behandlung der Kachexie, einen zugelassenen Arzneistoff gibt es dafür noch nicht. Zur Anwendung kommen momentan unter anderem die appetitanregenden Stoffe Megestrol und Ghrelin und Entzündungshemmer.
Ein neuen Therapieansatz verspricht die Therapie mit Cannabis, beziehungsweise mit seinen Hauptwirkstoffen, den sogenannten Cannabinoiden.
Cannabis und THC regen den Appetit an
Immer mehr Therapeuten und Betroffenen interessieren sich für die therapeutischen Möglichkeiten von Cannabis bei Krebs. Es könnte zur Behandlung diverser typischer Beschwerden von Krebspatienten verwendet werden. In Diskussion steht zudem, ob es in Zukunft zur Behandlung der Krebserkrankung selbst nützlich sein könnte. Erste Ergebnisse aus der Forschung zeigen dies zum Beispiel bei der Behandlung von Hirntumoren und Brustkrebs.
Die appetitanregende Wirkung von Cannabis beruht in erster Linie auf den Eigenschaften des Hauptwirkstoffes Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC). Er interagiert mit dem körpereigenen Endocannabinoid-System, das unter anderem auch für die Regulation des Appetits zuständig ist. Daneben wirkt THC gegen therapiebedingte Übelkeit, die die Auszehrung von Krebspatienten verschlimmern könnte.
In den USA ist THC als Arzneimittel zur Therapie der Anorexie und Kachexie bei AIDS zugelassen.
Cannabis und THC könnten auf verschiedenen Wegen konsumiert werden. Dazu zählt zum Beispiel das Verdampfen von Cannabisblüten mit einem Vaporizer, die Einnahme von Tropfen oder die Zubereitung eines Cannabis-Tees. In einer aktuellen Studie, die die Wirkung von Cannabis bei Patienten mit Tumorkachexie untersuchte, nahmen die Teilnehmer dies in Form von Kapseln ein.
Neue Studie untersucht die Wirkung von Cannabisextrakt bei krebsbedingter Kachexie und Appetitlosigkeit
Im September 2019 wurde eine Studie veröffentlicht, die die Auswirkungen von CBD- und THC-haltigen Kapseln bei Patienten mit Auszehrung untersuchte. Von den anfänglich 17 TeilnehmerInnen konnten leider nur 3 zur Gänze ausgewertet werden. Bei dieser zeigte sich aber ein beachtlicher Effekt. Sie nahmen um 10 Prozent zu und berichteten über gestiegenen Appetit, einer verbesserten Stimmung und einer Abnahme von Schmerzen und Erschöpfung.
Die TeilnehmerInnen hatten 2 Kapseln täglich eingenommen, diese enthielten 9,5 mg THC und 0,5 mg CBD. (3)
Unsere Beurteilung
Die positiven Ergebnisse der Studie sind aufgrund der bekönnteten Wirkung von Cannabis und seinen Inhaltsstoffen plausibel. Die Ergebnisse klingen vielversprechend, die Aussagekraft der Studie ist durch die geringe Teilnehmerzahl begrenzt.
Erste Studien, die die Wirkung von THC und Dronabinol bei Tumorkachexie untersucht hatten, konnten keine signifikante Wirkung feststellen. Warum es zu diesen unterschiedlichen Studienergebnissen kommt, lässt sich nicht genau sagen. Vielleicht spielt bei der aktuellen Studie die Verwendung einer Kombination von THC und CBD eine Rolle. Bei den bisherigen Untersuchungen hatte man sich auf die Erforschung eines Einzelstoffes fokussiert. (4)(5)
Das könnten Sie tun
Wer im Rahmen einer Krebserkrankung an Übelkeit, Gewichtsverlust oder Appetitlosigkeit leidet, sollte dies seinen ÄrztInnen umgehend mitteilen. Gemeinsam mit diesen könnte auch eine Therapie mit Cannabis, beziehungsweise THC angedacht werden. In einem anderen Artikel schreiben wir darüber, was bei der Kostenübernahme von Cannabis durch die Krankenkasse zu beachten ist.
Quellennachweis
(1) Tisdale MJ. Cachexia in cancer patients. Nat Rev Cancer. 2002
Nov;2(11):862-71
(2) Geels P, Eisenhauer E, Bezjak A, Zee B, Day A. Palliative effect ofchemotherapy: objective tumor response is associated with symptom improvement in patients with metastatic breast cancer. J Clin Oncol. 2000 Jun;18(12):2395-405
(3) Bar-Sela G, Zalman D, Semenysty V, Ballan E. The Effects of Dosage-Controlled Cannabis Capsules on Cancer-Related Cachexia and Anorexia Syndrome in AdvancedCancer Patients: Pilot Study. Integr Cancer Ther. 2019
Jan-Dec;18:1534735419881498
(4) Cannabis-In-Cachexia-Study-Group, Strasser F, Luftner D, Possinger K, Ernst G,
Ruhstaller T, Meissner W, Ko YD, Schnelle M, Reif M, Cerny T. Comparison oforally administered cannabis extract and delta-9-tetrahydrocannabinol in treatingpatients with cancer-related anorexia-cachexia syndrome: a multicenter, phase
III, randomized, double-blind, placebo-controlled clinical trial from the
Cannabis-In-Cachexia-Study-Group. J Clin Oncol. 2006 Jul 20;24(21):3394-400
(5) Jatoi A, Windschitl HE, Loprinzi CL, Sloan JA, Dakhil SR, Mailliard JA,
Pundaleeka S, Kardinal CG, Fitch TR, Krook JE, Novotny PJ, Christensen B.
Dronabinol versus megestrol acetate versus combination therapy forcancer-associated anorexia: a North Central Cancer Treatment Group study. J Clin
Oncol. 2002 Jan 15;20(2):567-73
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