Silibinin aus den Früchten der Mariendistel (Silybum marianum) könnte das Wachstum von Hirnmetastasen hemmen. Zu diesem Schluss kommen spanische Wissenschaftler. Sie hatten eine Pilotstudie mit Lungenkrebspatienten durchgeführt, die bereits unter Hirnmetastasen litten. Der natürliche Wirkstoff Silibinin wurde den Teilnehmern parallel zur schulmedizinischen Krebstherapie verabreicht.
Die Ergebnisse der Studie könnten für viele Krebspatienten interessant sein. Daher haben wir sie uns näher angeschaut.
Silibinin – Leberschutz aus der Mariendistel
Der Stoff Silibinin findet sich in den Früchten der Mariendistel. Diese Heilpflanze ist vor allem wegen ihrer leberschützenden Wirkungen bekönntet. Diese Eigenschaften verdankt die Mariendistel unter anderem Silibinin. Silibinin schützt die Leberzellen, indem es deren Zellwand stärkt. Dadurch könnten weniger Giftstoffe ins Innere der Leberzellen gelangen und dort Schaden anrichten. Es gibt wohl keinen anderen bekönnteten Stoff, der Leberzellen so schützen könnte wie Silibinin. Daher wird Silibinin unter anderem als Notfallmittel bei Vergiftungen durch Knollenblätterpilze eingesetzt. (1)(2)
Silibinin als Wirkstoff gegen das Krebswachstum
In letzter Zeit wurde Silibinin auch für die Krebsforschung interessant. Silibinin könnte nämlich mit einem bestimmten Protein interagieren, das für das Überleben der Krebszellen wichtig ist: Das Protein trägt den Namen „Signal transducer and activator of transcription 3“ (STAT3). Es spielt eine wichtige Rolle beim Zellwachstum, aber auch der Apoptose. Die Apoptose ist der natürliche Zelltod, ein Programm, das bei allen gesunden Zellen am Ende ihre Produktivität ausgelöst wird. Krebszellen schalten dieses Programm ab, um ungehemmt wachsen zu könnten. Silibinin könnte ähnlich wie Cannabidiol (CBD)– so die Ergebnisse meherer Untersuchungen – die Apoptose in Krebszellen wieder aktivieren. (3)
Bei Prostatakrebszellen konnte ein ähnlicher Effekt beobachtet werden. (4)
Gerade für Patienten mit Hirnmetastasen könnte Silibinin eine interessante Option sein. Hirnmetastasen sind leider meist ein prognostisch ungünstiger Umstand. Silibinin scheint deren Wachstum und das Ausbilden eines Hirnödems positiv zu beeinflussen.
Die Studie: Silibinin bei Patienten mit Lungenkrebs und Hirnmetastasen
In einer 2018 veröffentlichten spanischen Pilotstudie nahmen 18 Patienten teil. Sie alle litten an Lungenkrebs und hatten bereits Hirnmetastasen. Mit schulmedizinischer Behandlung alleine wäre ihre Lebenserwartung gering, durchschnittlich nur noch vier Monate. Die spanischen Wissenschaftler interessierte, ob eine regelmäßige Einnahme von Silibinin das Wachstum der Metastasen und die Lebenserwartung beeinflussen könnte. Die Teilnehmer bekamen Silibinin in Kombination zur Standartbehandlung.
Die Ergebnisse sind vielversprechend: Bei drei Patienten konnte das Wachstum der Metastasen komplett gestoppt, bei 10 weiteren deutlich gehemmt werden.
Die durchschnittliche Lebenserwartung der Teilnehmer erhöhte sich deutlich: Normalerweise liegt diese bei Patienten mit vergleichbarem Erkrankungsstadium bei gerade mal vier Monaten. Bei den Teilnehmern der Studie lag diese im Durchschnitt bei 15,5 Monaten. Im Schnitt lebten sie also ein Jahr länger als Patienten, die kein Silibinin erhalten. (5)
Das sind beachtliche Ergebnisse.
Silibinin das neue Wundermittel bei Krebs? Das gilt es zu beachten
Die Ergebnisse der Studie sind angesichts der bisherigen Erkenntnisse über die krebswidrigen Eigenschaften von Silibinin plausibel. Zu beachten ist, dass es sich um eine Pilotstudie mit geringer Teilnehmerzahl handelt. Die Ergebnisse sind also vielversprechend, in ihrer Aussagekraft jedoch noch limitiert. Weitere klinische Studien mit mehr Teilnehmern und mit einer Placebo-Kontrollgruppe sind wünschenswert. Dann könnte das volle Potential von Silibinin als Krebsmedikament beurteilt werden.
Silibinin wurde in der Studie in Kombination mit anderen schulmedizinischen Therapien eingesetzt. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die alleinige Gabe von Silibinin die gleichen Effekte erzielt hätte. Silibinin ist den Ergebnissen der Studie zufolge keine Alternative, sondern eine mögliche Ergänzung der Schulmedizin.
Silibinin begleitend zur Krebstherapie: Das könnten Sie tun
Silibinin ist für Krebspatienten generell schon wegen seiner leberschützenden Eigenschaften eine gute Option. Für Patienten mit Hirnmetastasen ist Silibinin auch aufgrund der bisherigen Studienergebnisse interessant.
Wer an Hirnmetastasen leidet, könnte die Studie (Volltext hier) seinem Onkologen zeigen. Die Einnahme von Silibinin sollte nur nach Absprache mit den behandelnden Ärzten erfolgen. Silibinin könnte nämlich die Wirkung anderer Medikamente beeinflussen und damit auch potentiell gefährliche Wechselwirkungen hervorrufen.
In der Studie wurde das Präparat Legasil verwendet. Dies ist in Deutschland nicht, oder nur schwer erhältlich. In Deutschland im Handel verfügbare Präparate mit Silibinin sind Legalon® SIL (Madaus) und Silimarit® (Bionorica).
Quellennachweis
(1) U. Mengs, R. T. Pohl, T. Mitchell: Legalon® SIL: the antidote of choice in patients with acute hepatotoxicity from amatoxin poisoning. In: Current Pharmaceutical Biotechnology. Band 13, Nummer 10, August 2012, S. 1964–1970
(2) Al-Anati, E. Essid u. a.: Silibinin protects OTA-mediated TNF-alpha release from perfused rat livers and isolated rat Kupffer cells. In: Molecular nutrition & food research. Band 53, Nummer 4, April 2009, S. 460–466
(3) Bosch-Barrera, Joaquim; Sais, Elia; Cañete, Noemí; Marruecos, Jordi; Cuyàs, Elisabet; Izquierdo, Angel; Porta, Rut; Haro, Manel; Brunet, Joan; Pedraza, Salvador; Menendez, Javier A. „Response of brain metastasis from lung cancer patients to an oral nutraceutical product containing silibinin„. Oncotarget. 7 (22): 32006–32014
(4) A. M. Handorean, K. Yang, E. W. Robbins, T. W. Flaig, K. A. Iczkowski: Silibinin suppresses CD44 expression in prostate cancer cells. In: American Journal of Translational Research. Band 1, Nummer 1, 2009, S. 80–86
(5) Priego N, Zhu L, Monteiro C, Mulders M, Wasilewski D, Bindeman W, Doglio L,
Martínez L, Martínez-Saez E, Cajal SRY, Megías D, Hernández-Encinas E,
Blanco-Aparicio C, Martínez L, Zarzuela E, Muñoz J, Fustero-Torre C,
Piñeiro-Yáñez E, Hernández-Laín A, Bertero L, Poli V, Sanchez-Martinez M,
Menendez JA, Soffietti R, Bosch-Barrera J, Valiente M. STAT3 labels asubpopulation of reactive astrocytes required for brain metastasis. Nat Med. 2018 Jul;24(7):1024-1035
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