Cannabis ist für Krebspatienten eine interessante Option. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes „Cannabis als Medizin“ interessierten sich auch in Deutschland viele Patienten für die Möglichkeiten von Cannabis bei Krebs. Diesem Thema widmen wir uns unter anderem in unserem Buch „Naturheilkunde bei Krebs“ und auf diesem Blog. Das Thema ist sehr umfangreich – immer wieder bleiben Fragen offen und neue tauchen auf. Wir hatten Gelegenheit, ein paar davon Sandrina Kömm-Benson, der Chefredakteurin von Leafly.de, zu stellen.
Auch die Plattform Leafly.de widmet sich den Einsatzmöglichkeiten von Cannabis und seiner Cannabinoide und bietet ein kostenloses Wissensportal. Sandrina Kömm-Benson ist ausgebildete Journalistin, TV-Moderatorin, Sprecherin und PR-Profi. Bevor sie mit ihrer Arbeit bei Leafly.de begann, war sie erfolgreich 15 Jahre lang mit ihrer eigenen PR-Agentur für unterschiedlichste Kunden tätig. Zum Thema Cannabis als Medizin kam sie über den viel zu frühen Krebstod ihrer Schwägerin und einer Freundin. Beide verlor sie innerhalb von kurzer Zeit. Seither beschäftigt sie sich mit den guten Eigenschaften von Medizinalhanf.
Leafly.de bietet Patienten, Angehörigen, Therapeuten und Apothekern fundierte Informationen rund um das Potential und die Einsatzmöglichkeiten von Cannabis. Seit wann gibt es diese Plattform und wie werden die Angebote wahrgenommen?
Leafly.de ging am 4. Mai 2017 in Deutschland online. Seither haben wir ununterbrochenen Zuspruch von Patienten, Medizinern, Apothekern und Betroffenen, die sich genau solch eine Informationsplattform gewünscht haben. Wir haben offensichtlich einige Dinge richtig gemacht, denn mittlerweile sind die größten Patientenvereinigungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz unsere Partner.
Viele Krebspatienten möchten Cannabis, einzelne Cannabinoide oder Cannabis-Medikamente in ihre Behandlung integrieren. Das Gesetz „Cannabis als Medizin“ sollte ihnen den Zugang zu diesen Heilmitteln erleichtern. In der Praxis sieht das jedoch meist anders aus. Ärger mit den Krankenkassen, Lieferengpässe, hohe Apothekenpreise machen den Patienten zu schaffen. Was müsste Ihrer Meinung nach am Gesetz „Cannabis als Medizin“ geändert werden?
Die Gesetzesänderung ist so wie sie ist nicht schlecht. Das hat das neue Gesetz bisher bewirkt:
- Hochgerechnet werden in Deutschland aktuell rund 13.000 Schwerkranke mit Cannabis als Medizin versorgt. Vor dem Cannabisgesetz waren es nur 1.000 Patienten.
- Die Zahl der genehmigten Kassen-Anträge auf Kostenerstattung liegt zwar nur bei 61 Prozent, immerhin ist sie im Vergleich zum letzten Sommer aber angestiegen. Damals lag sie bei weniger als 50 Prozent.
Was ist noch zu tun?
Wie könnten die weiterhin bestehenden Probleme angegangen werden? Die Lösungen müssen auf unterschiedlichen Ebenen gefunden werden:
- Für die Ärzteschaft bedarf es Fortbildungen und einer verbesserten Vergütung der anfallenden Aufgaben (Beratung zur Cannabis-Behandlung, Hilfestellung beim Ausfüllen des Kassen-Antrages, Begleiterhebung). Darüber hinaus benötigen sie Sicherheit vonseiten der Krankenkassen, um die Regressängste aus der Welt zu schaffen.
- Die Oppositionsparteien Bündnis 90/Die Grünen und die Linke möchten am liebsten die Krankenkassen zwingen, ihrem Versorgungsauftrag in puncto Cannabis als Medizin gerecht zu werden. Wir von Leafly.de werden verfolgen, ob der Gesetzgeber tatsächlich eingreift.
- Die Cannabisagentur muss die Versorgung mit Cannabisblüten gewährleisten, damit es bei bestimmten Sorten nicht länger zu Lieferschwierigkeiten kommt.
- Falls keine Einigung bei den Preisverhandlungen zwischen dem Apothekerverband und der GKV zustande kommt, fordert die Linkspartei, eine schnelle Lösung auf Regierungsebene zu finden.
Einzelne Patienten, deren Krankenkasse die Kostenübernahme für Cannabis abgelehnt hat, sehen sich gezwungen, Cannabis auf dem Schwarzmarkt zu kaufen. Wie stehen Sie dazu? Raten Sie davon ab?
Selbstverständlich raten wir davon ab! Man weiß doch gar nicht, was man da in die Hände bekommt, womit die Pflanzen behandelt wurden etc. Pharmazeutisches Cannabis heißt nicht umsonst so: Es wird nach strengen Standards gezüchtet und behandelt und wird auch deshalb für den medizinischen Gebrauch eingesetzt.
Eine Legalisierung von Cannabis könnte Krebspatienten den Zugang zu Cannabis erleichtern. Wie schätzen Sie die Situation in Deutschland ein? Wird Deutschland dem Vorbild und den guten Erfahrungen einzelner Bundesstaaten der USA folgen und Cannabis legalisieren?
Nein, davon ist nicht auszugehen. Wir hoffen auf eine kontrollierte Abgabe ab 18 Jahren. Davon ist jedoch nicht innerhalb dieser Legislaturperiode auszugehen. Wenn wir Glück haben, kommt diese in vier Jahren, acht bis zehn sind eher realistisch.
Krebspatienten erhalten Cannabis oder Cannabinoide aufgrund von Beschwerden oder Nebenwirkungen, die mit der Krebserkrankung oder deren Therapie einhergehen. Viele interessieren sich auch für das antitumorale Potential der Cannabinoide. Leider liegen hier keine aussagekräftigen klinischen Studien vor. könnten Sie sich dies erklären?
Da ich selbst keine medizinische Fachausbildung habe, könnte ich diese Frage nicht beantworten. Hier habe ich unsere Ärztin und Fachautorin Frau Dr. Christine Hutterer befragt:
- Es gibt Studien zur Wirkung von Cannabis bzw. Cannabinoiden auf Tumorzellen, aber bisher vor allem an Zellkulturen. Man nimmt also bestimmte Tumorzellen in einer Zellkulturschale und kippt – z.B. Cannabinoide in unterschiedlichen Konzentrationen drauf und schaut, wie die Zellen regieren. In Zellkulturen haben sich Antitumor-Effekte gezeigt. Allerdings könnte man dann noch nicht sagen, dass das auch im Lebewesen (Mensch) so funktioniert, weil:
- Studien sind schwer durchzuführen – zum einen aus ethischen Gründen: man könnte nicht einem Krebspatienten nur Cannabis geben und gucken, was passiert. Wenn man es aber mit herkömmlichen Therapien kombiniert (z.B. zusätzlich zur Chemo) könnte man nie genau sagen, welcher Effekt von der Chemo und welcher vom Cannabis kommt
- Welche Konzentration an Cannabinoiden braucht der Tumor? Das weiß man nicht! Man weiß aus der Zellkultur, bei welcher Konzentration die Krebszellen absterben, aber wie bekommt man diese Konzentration zum Tumor, an den Ort des Geschehens? Nicht so leicht. Häufig sind die Ergebnisse aus Zellkulturexperimenten auch nicht direkt übertragbar, z.B. weil eine solche Konzentration im lebenden Organismus tödlich wirken würde oder extreme Nebenwirkungen hätte (ich weiß nicht, ob das in diesem Fall so wäre, aber das ist ein typisches Problem mit Zellkulturexperimenten). Beim Rauchen und Vaporisieren weiß man nie genau, welche Konzentration aufgenommen wird, auch bei Tropfen/Extrakten weiß man noch nicht genau, wie viel man einnehmen müsste, damit IM TUMOR die richtige Konzentration ankommt. Bei Versuchen an Patienten mit Hirntumoren im Endstadium haben sie das Cannabis direkt ins Gehirn an den Tumor injiziert. Das schien etwas zu bringen (Tumor z.T. etwas zurückgegangen oder langsamer gewachsen, ich weiß es nicht mehr), aber die Patienten (Endstadium) sind trotzdem alle gestorben.
- Was wäre ein Erfolg? Man weiß auch noch nicht, was man bei der Therapie mit Cannabis als Erfolg werten würde. Dass der Tumor langsamer wächst oder muss er sich verkleinern? Neue Therapien werden aber nur zugelassen, wenn sie mindestens gleichwertig mit bestehenden sind. Daher muss Cannabis wirklich richtig toll wirksam sein (zumindest in Kombination mit anderen Therapien), dass es hier vermehrt eingesetzt wird. Und eine Studie, die das nachweisen könnte, könnte man eben nicht so leicht entwerfen.
Ich schätze, dass es solche Studien schon noch geben wird, aber die o.g. Gründe machen deutlich, dass es nicht so einfach ist.
Wie wird Ihre Arbeit finanziert? Wie könnten Interessierte Ihre Arbeit unterstützen?
Noch werden wir von unserer amerikanischen Mutterfirma finanziert. Demnächst werden wir ein kleines Geschäftsmodell hier umsetzen, mit dem wir hoffen, zumindest kostendeckend zu operieren. Wer uns unterstützen möchte, wird dies in Kürze auf unserer Webseite erfahren. Doch egal welches Finanzierungsmodell wir anstreben, eine Sache ist uns wichtig: Die Informationen für Patienten werden stets kostenlos zur Verfügung stehen. Die Aufklärungsarbeit ist unsere primäre Aufgabe und daran werden wir nichts ändern.
Vielen Dank für das Interview!